Chavy

Wie ich zur Chinesischen Medizin gekommen bin

Ich befand mich inmitten meines Medizinstudiums und absolvierte gerade ein Praktikum an der Aidshilfe Wien, bei der ich drei Jahre lang als psychologische Beraterin gearbeitet habe, als mich eine liebe Klientin und Teilnehmerin der damaligen Frauengruppe auf die “Ernährung nach den fünf Elementen” ansprach.

Damals im Jahr 1992 wussten wir an der Aidshilfe nicht viele Ernährungsratschläge und Tipps für Betroffene der Hiv-Infektion. Zu der Zeit gab es kaum wirklich hilfreiche und effiziente Ernährungsvorschläge zur Stärkung und Verbesserung des Immunsystems bzw. sogar zur Eliminierung von Toxinen und Verhinderung von opportunistischen Infektionen.

Also war ich dankbar für jeden Hinweis von KlientInnen und befasste mich mit dieser für mich neuen Ernährungsform.
Ernährung und verschiedene Ernährungsweisen waren ohnehin schon immer ein wichtiges Thema für mich, da ich in einer Familie mit Eltern aus der Kriegs- und Nachkriegszeit aufgewachsen bin, die der neuen Ernährungsweise des neu erworbenen Wohlstands frönten – bestehend aus großen Mengen an Süßigkeiten und Weißmehlprodukten.
Dadurch wird der stärkste Organismus aus dem Gleichgewicht gebracht.

Jedenfalls schien mir diese Ernährungslehre, die auf Basis der chinesischen Medizin fungiert und die Nahrungsmittel nach der energetischen Wirkung auf den gesamten Organismus einteilt, als recht nachvollziehbar und mit einem guten theoretischen Hintergrund, was für mich als Naturwissenschaftlerin sehr wichtig ist.

Ich erzählte meiner Homöopathin Dr. Bernadette Haller davon, die damals auch an der Aidshilfe Wien tätig war, und durch sie erfuhr ich, dass es Claude Diolosa war, der diese “neue” Ernährungsform aus China in den Westen gebracht hat. Er unterrichtete – und unterrichtet heute noch – auch in Wien am Shambhala-Institut . Mit ihm eröffnete sich für mich eine ganz neue Welt.

Alles, was ich in der westlichen Medizin gesucht und nicht gefunden hatte, fand ich in der chinesischen Medizin.
Claude ist ein ausgezeichneter Vortragender und Lehrer und kann die Quintessenz der chinesischen Medizin spannend und verständlich vermitteln. Ich empfehle allen, die sich für die chinesische Medizin interessieren, seine Vorträge, die es auch auf Kassetten bzw. auf CDs gibt.

Das ganzheitliche Denken, das den menschlichen Organismus als Körper-Seele-Geist-Kontinuum sieht, hatte ich endlich in einer Medizin gefunden.
Zu meiner Zeit des Medizinstudiums, in den Achtzigerjahren, war die Psychosomatik im Westen zwar im Vormarsch, aber doch funktionierte dieses Modell vorrangig in eine Richtung: nämlich, dass eine kranke Psyche bzw. eine Störung der Emotionen den Körper krank machen kann, also es zu somatischen Symptomen aufgrund eines Ungleichgewichts in der Psyche kommen kann.

In der chinesischen Medizin funktioniert dieses Modell in beide Richtungen: auch ein Ungleichgewicht auf körperlicher Ebene kann zu psychischen Beschwerdebildern führen.
So ist die so genannte postpartale Depression, eine Form der Depression, die bei Frauen nach der Niederkunft auftreten kann, ein Ergebnis eines Mangels an Blut und Jing (=Essenz, die in der Niere gespeichert wird und zur Bildung von Substanzen und Energien benötigt wird).

Ein anderes Beispiel sind die psychischen Symptome, die beim prämenstruellen Syndrom (PMS) auftreten können. Sie sind Folge einer Qi-Stagnation in der Leber oder eines anderen Ungleichgewichts auf körperlicher Ebene (siehe auch Ärztewocheartikel).

So können viele psychische Beschwerden über den Körper, also durch geeignete Nahrungsmittel, westliche und chinesische Kräuter sowie Bewegung, behandelt werden.
Ein Beispiel, wie Nahrungsmittel unsere Psyche beeinflussen können, sind scharf gewürzte Speisen, die – im Übermaß genossen – zu emotionaler Unruhe bis hin zu aggressiven Verhaltensweisen führen können. Im Gegensatz dazu wirken sich bittere Nahrungsmittel und Kräuter, wie z.B. Löwenzahn, Hopfen oder Passionsblume – beruhigend auf unsere Psyche aus.

Mittlerweile habe ich die chinesische Medizin und unsere westliche Medizin für mich in Einklang gebracht und arbeite sowohl mit TCM-Ärzten und Ärztinnen zusammen als auch mit westlichen MedizinerInnen.
Denn das eine Medizinsystem schließt das andere nicht aus: im Gegenteil, dort wo man an die Grenzen des einen Systems stößt und nicht mehr weiter weiß, kann oft mit dem anderen System ein aussagekräftiger Befund erhoben werden, der sodann zur Linderung bzw. Beseitigung der Beschwerden weiterhelfen kann.

Warum ich die Bezeichnung “chinesische Medizin” bevorzuge? Dies ist eigentlich die korrekte Bezeichnung für die Medizin aus China, weil es die eine traditionelle Medizin in China nicht gibt. Es ist vielmehr eine Vielzahl von Anwendungen, die aus mehreren Strömungen entstanden ist.
Und das Wort TCM, also der Begriff “Traditionelle Chinesische Medizin” ist ein Kunstprodukt aus der Ära Maos (siehe auch Paul Unschuld zu diesem Thema), der das Interesse des Westens an Chinas Medizin nutzte und versuchte, diese etwas griffiger und sozusagen “userfreundlicher” für uns zu machen.

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